Geschichte

In demokratischen Staaten mit einer pluralistischen Bildungsdiskussion ist ein langfristiger, wenn auch politisch umstrittener Trend erkennbar, von der Vermittlung eines auferlegten Geschichtsbildes fortzukommen und die Kompetenz der Lernenden zum eigenständigen und kritischen historischen Denken zu fördern. In den deutschsprachigen Ländern hat dazu stark beigetragen, das „Geschichtsbewusstsein“ zur zentralen Kategorie der Geschichtsdidaktik zu erheben. Gegenwärtig verstärkt die nach PISA bildungspolitisch forcierte Ausrichtung der Lehrpläne auf Kompetenzen diese Tendenz, obwohl die Steuerung mit einheitlichen Unterrichtszielen durch Bildungsstandards teilweise gegenteilig wirkt, wenn die Kompetenzen auf Faktenkenntnisse reduziert werden. Es gibt in Deutschland bisher keine nationalen Bildungsstandards.

Das Leitziel des Geschichtsunterrichts, das Geschichtsbewusstsein der Lernenden zu fördern, soll sie in die Lage versetzen, auch nach Ende der Schulzeit ohne Anleitung selbstständig historisch zu denken, eine eigene Identität zu entwickeln und zu reflektieren und zumindest tendenziell gleichberechtigt an der gesellschaftlichen Diskussion und Auseinandersetzung über Geschichte teilzunehmen.

Daneben bestehen viele weitere übergeordnete Ziele des Geschichtsunterrichts. Dazu zählen die Demokratieerziehung und die Menschenrechtserziehung. Die kritische Geschichtsdidaktik der 1970er und 1980er Jahre (z. B. Annette Kuhn) setzte die individuelle Emanzipation und gesellschaftliche Kritikfähigkeit als vorrangige Ziele an, doch wurde die einseitig kognitive Ausrichtung dieses Konzeptes durch Aufzeigen weiterer Dimensionen des Geschichtsbewusstseins korrigiert: emotionale und ästhetisch-triebhafte Interessen sowie geschichtskulturelle Faktoren beeinflussen den individuellen Umgang mit Geschichte weitaus stärker. Die meisten Erwachsenen haben z. B. zu Mittelalterfilmen wie Braveheart kein kritisches Verhältnis, sondern genießen sie unreflektiert als Unterhaltung.