Jedes Buch ist hier erlaubt: An der Werra-Realschule gibt es eine gemeinsame Lesestunde

Eine gemeinsame Lesestunde bietet die Werra-Realschule seit Kurzem an: Die Schüler können lesen, was ihnen gefällt. Auch ein Besuch in der Stadtbücherei steht auf dem Plan.

„Lesetante Julia“, wird Julia Stadler, Referendarin an der Werra-Realschule gerne von den Schülerinnen und Schülern genannt.

Und das hat einen guten Grund: Denn sie hat vor einigen Wochen in der Schule den Vorschlag einer rotierenden Lesestunde unterbreitet, der inzwischen ein fester Bestandteil des Stundenplanes ist.

Während des Schuljahres „rotiert“ eine Lesestunde wöchentlich durch den Stundenplan der Klassen fünf bis zehn mit 230 mehr oder weniger Lesefreudigen. Schulleiter Dr. Frank Müller-Baete und die Kollegen haben zusammen mit ihr die Abläufe geplant und im Februar ging’s los.

Mucksmäuschenstill im Klassenraum

Nach anfänglicher Zurückhaltung stellte sich nach und nach immer mehr Begeisterung bei den Schülerinnen und Schülern ein, und auf die Lesestunde möchten sie nicht mehr verzichten.

Da wurde kürzlich in einer Klasse sogar beschlossen, freiwillig nach der sechsten Stunde eine zusätzliche Unterrichtsstunde anzuhängen, damit die Lesestunde nicht ausfallen musste. Wenn gelesen wird, dann ist es im Klassenraum mucksmäuschenstill.

Unterstützung von der Stadtbücherei

Die Mädchen und Jungen sitzen auf dem Boden, unter den Tischen oder liegen gemütlich nebeneinander und lesen. Entweder eigene Bücher, Literatur aus der Schulbibliothek oder der Stadtbücherei. „Von der Stadtbücherei haben wir gute Unterstützung erhalten“, berichtet Julia Stadler.

Es wurde pro Klasse eine Bücherkiste mit 15 Werken zum klassenweisen Wechsel zur Verfügung gestellt. Die Idee ist auch, ein Buch nicht zu Ende zu lesen, sondern nur einzelne Kapitel. Am Ende einer jeden Lesestunde erfolgt ein Logbucheintrag, jeder besitzt so ein Logbuch, auch die Lehrer. Darin wird eingetragen, welches Buch gelesen wurde, was inhaltlich passiert und wie es gefallen hat.

Die Bücher können zu Hause weitergelesen, oder für die nächste Lesestunde aufbewahrt werden. Sämtliche Literatur ist erlaubt, angefangen bei Romanen über Comics bis hin zu Sachbüchern.

Die einzige Richtlinie ist, dass Deutsch die Lesesprache ist. „Wir freuen uns natürlich, wenn Bücher in allen Sprachen gelesen werden. Aber in dieser Stunde, die alle gemeinsam lesend verbringen, solle in der Sprache gelesen werden, die alle verbindet“, so die Referendarin.

80 Prozent der Schüler haben Ausweis

Doch mit der Lesestunde nicht genug, nach und nach stehen für die Klassen Besuche in der Stadtbücherei an, acht Klassen waren bereits dort. Auch haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich anzumelden. Einige haben das sehr schnell getan, andere noch abgewartet und einige fanden es nicht so gut.

Inzwischen besitzen 80 Prozent der Werra-Realschülerinnen und -schüler einen Ausweis und das freiwillig. Selbst der letzte Skeptiker hat seine Anmeldung jetzt abgegeben“, erzählt die Lesetante. Der Beitrag für ein Jahr ist frei, denn ein anonymer Spender hat der Bücherei eine Summe für diesen Zweck gespendet.

„Unser Ziel ist, dass sich noch mehr für die Bücherei entscheiden. Und dann können wir ganz stolz sagen: unsere gesamte Schule liest“, freut sich Julia Stadler.

„Gedächtnis entwickelt sich weiter“ – Das Angebot findet bei Schülern großen Anklang

Das sagen die Schülerinnen und Schüler der Klasse 5a zu der Lesestunde: 

  • Ciara (11 Jahre): „Ich lese jetzt mehr als früher, habe auch Bücher zu Hause.“
  • Beritan (12 Jahre): „Zuerst war die Lesestunde langweilig, weil ich keinen bequemen Platz gefunden habe. Aber jetzt habe ich viele Lieblingsbücher, lese am liebsten Comics.“
  • Josefin (12 Jahre): „Ich finde es toll. Mir gefällt das Buch Lotta-Leben gut, da bin ich schon bei Teil drei.“
  • Nikola (12 Jahre): „Die Lesestunde ist echt super, obwohl sie manchmal chaotisch ist. Ich freue mich, dass sich mein Gedächtnis so weiter entwickelt. Meine Bücher zu Hause habe ich alle durch, jetzt gehe ich in die Bücherei, um Bücher auszuleihen.“
  • Lenn (11 Jahre): „Den Buchtag mag ich. Da kann ich mit Freunden eine Burg aus Decken und Jacken bauen und beim Lesen entspannen.“
  • Julien (12 Jahre): „Ich habe vorher keine Bücher gelesen, weil ich Lesen doof fand. Jetzt finde ich Lesen gut, besonders das Buch das Dorf.“
  • Neele (11 Jahre): „Ich lese hier sehr gerne, oft auch in der Bücherei, weil ich zu Hause nicht die Ruhe dazu habe. Mein Lieblingsbuch ist Tabaluga die Suche nach dem Feuer. Aber auch andere Bücher möchte ich noch lesen.“